Politische Unsicherheit, gesellschaftliche Spaltung und globale Herausforderungen nehmen scheinbar täglich zu. Einige Vordenker bezeichnen diesen Moment als eine „Metakrise“ (McGilchrist, 2021, S. 23) – das gleichzeitige Auftreten mehrerer systemischer Zusammenbrüche, ausgelöst durch unsere kollektive Schwierigkeit, die Welt zu verstehen und gemeinsam zu handeln. In einem solchen Kontext ist Konsensbildung kein Luxus sondern Grundvoraussetzung für das Funktionieren einer Demokratie.
Make.org ist präzise um diese Überzeugung herum aufgebaut. Durch groß angelegte Bürgerkonsultationen und strukturierte Dialogformate verlagert sich der Fokus von dem, was Menschen trennt, hin zu dem, was sie verbindet. Das Ziel ist klar: gemeinsame Prioritäten in konkrete Handlung überführen.
Demokratie gedeiht dann, wenn Bürger:innen sich wirklich gehört fühlen und ihre Ideen in Entscheidungen wiederfinden, die ihr Leben beeinflussen. Diese kontinuierliche Teilhabe stärkt das Vertrauen in demokratische Institutionen und ermöglicht, was der Historiker Pierre Rosanvallon als „permanente Demokratie“ beschreibt – eine Form, in der öffentliches Handeln aus kontinuierlicher, gemeinsamer Beratung entsteht, nicht nur aus periodischen Wahlen. Um dies im großen Maßstab zu verwirklichen, braucht es zusätzlich zur Überzeugung auch eine klare und wirksame Methodik.
Make.org hat eine eigene Methode zur Konsensbildung entwickelt, die auf vier Schlüsselschritten basiert. Sie ist transparent, inklusiv und wirkungsorientiert:
Jede Konsultation beginnt mit einer offenen, klaren, zugänglichen und gesellschaftlich relevanten Leitfrage, die das tägliche Leben der Menschen berührt und zum Mitdenken einlädt.
Bürger:innen können im nächsten Schritt ihre eigenen Vorschläge einbringen und über die Ideen anderer abstimmen. Man kann Vorschlägen, zustimmen, sie ablehnen oder neutral bleiben. So wird sichtbar, welche Ideen beliebt sind und welche umstritten. Darauf basierend kann gesellschaftlicher Konsens identifiziert werden. Durch breit angelegte Kommunikationskampagnen und benutzerfreundliches Design wird eine hohe Beteiligung erreicht, auch von Gruppen, die sonst selten Gehör finden.
Nach Abschluss der Konsultation analysieren unsere Soziolog:innen und Datenexpert:innen die Vorschläge. Mithilfe eines strukturierten Auswertungsmodells werden inhaltlich ähnliche Beiträge gebündelt, die häufigsten Ideen identifiziert und nach Unterstützung priorisiert. Jedes so entstandenes Thema repräsentiert teils hunderte ähnliche Vorschläge und vereint tausende Stimmen, was eine hohe statistische Aussagekraft garantiert.
Die gewonnenen Erkenntnisse werden so aufbereitet, dass sie für die jeweiligen Akteur:innen klar, verständlich und unmittelbar umsetzbar sind. Je nach Zielsetzung der Initiative können daraus Gesetzesentwürfe, politische Empfehlungen, Strategiepapiere oder zivilgesellschaftliche Projekte entwickelt werden.
Ein Beispiel für die Umsetzung dieser Methodik ist das Projekt „ZUKUNFTSGERICHTET – Den Rechtsstaat gemeinsam voranbringen“, das vom Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg initiiert wurde. Bürger:innen und Justizmitarbeitende brachten darin ihre Ideen für eine zukunftsfähige Justiz ein. Ergänzt wurde die Konsultation durch Roadshows vor Ort, Fachworkshops und eine repräsentative Umfrage. Die Ergebnisse bilden nun die Grundlage für konkrete Reformvorhaben im Land, ein starkes Beispiel für wirkungsvolle Bürgerbeteiligung in staatlichen Transformationsprozessen.
Besonders deutlich wird das Potenzial der Methodik Forum gegen Fakes – Gemeinsam für eine starke Demokratie, initiiert von der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit einem breiten Partnernetzwerk. Mehr als 420.000 Bürger:innen in Deutschland beteiligten sich über die Plattform von Make.org an der Diskussion zum Thema Desinformation. Das Projekt wurde als Premiere gefeiert, weil es zum ersten Mal einen Bürgerrat – bestehend aus 120 zufällig ausgelosten Bürger:innen – mit einer breit angelegten Online-Beteiligung verknüpfte. Die Ergebnisse der Online-Beteiligung flossen in die Arbeit des Bürgerrates ein, während umgekehrt auch die Empfehlungen des Bürgerrates online diskutiert und weiterentwickelt wurden. Beides griff über mehrere Schritte ineinander.
Der kürzlich veröffentlichte Evaluationsbericht der Universität Stuttgart belegt den Erfolg: 70 % der Teilnehmenden fühlten sich mit ihrer Meinung ernst genommen, und die Medienreichweite lag bei über fünf Millionen Bürger:innen. Besonders bedeutsam war die offizielle Übergabe des Bürgergutachtens an Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die die politische Relevanz des Projekts unterstrich. Mehrere Empfehlungen des Panels werden bereits von Pädagog:innen, Politiker:innen und Medienexpert:innen umgesetzt.
In weniger als zehn Jahren hat die Make.org Foundation in Frankreich mehr als 15 sogenannte Grande Causes initiiert: mehrjährige Aktionskampagnen, die Bürgerprioritäten in konkrete gesellschaftliche Wirkung überführen. Die behandelten Themen reichen von Gewalt gegen Frauen über Umwelt- und Kulturfragen bis hin zu gleichberechtigter Teilhabe von Jugendlichen. Ziel ist stets, eine breite Koalition aus Unternehmen, Institutionen, Medien, Start-ups und NGOs zu mobilisieren, um Projekte zu unterstützen, die direkt auf die priorisierten Anliegen der Bürger:innen reagieren.
Ein anschauliches Beispiel: Der Grande Cause „Alle Formen von Ungleichheit gegenüber Frauen bekämpfen“. Mehr als 258.000 Bürger:innen nahmen an der Konsultation teil. Daraus entstand ein nationaler Aktionsplan, der gemeinsam mit 13 Unternehmen und 51 Organisationen entwickelt wurde.
Die Make.org Foundation unterstützte daraufhin sieben gemeinnützige Initiativen (Programme für Gleichstellung am Arbeitsplatz, Bildungsangebote zur Geschlechterrepräsentation) und ergänzte damit die öffentliche Politik durch zivilgesellschaftliches Engagement.
Konsens ist nicht nur eine nationale Aufgabe, sondern gewinnt zusätzliche Stärke, wenn er Grenzen überwindet. Die EurHope-Konsultation brachte junge Europäer:innen zusammen, um Zukunftsideen zu teilen. Bemerkenswert war hierbei, wie häufig ähnliche Vorschläge aus verschiedenen Ländern und Sprachen eingingen. Forderungen wie "Öffentlicher Nahverkehr für alle" oder "EU-weites Verbot von Einwegplastik" fanden länderübergreifend große Zustimmung, ein deutliches Zeichen für einen europäischen Bürgerkonsens.
Die Ideen wurden anschließend bei der European Youth Week den europäischen Parteien präsentiert, sodass junge Wähler:innen erkennen konnten, welche Partei ihre Positionen am ehesten teilt. Darüber hinaus halfen die Ergebnisse bei der Ausarbeitung eines Resolutionsentwurfs, der gemeinsam mit Jugendvertreter:innen erarbeitet wurde, ein konkreter legislativ wirksamer Beitrag bürgerschaftlicher Teilhabe. Der vollständige EurHope-Bericht ist hier verfügbar.
Die EurHope-Initiative zeigt, wie die anderen in diesem Artikel dargelgten Beispiele auch, dass Konsens nicht nur universelle Übereinstimmung bedeutet. Es geht um gemeinsame Absicht. Einen gemeinsamen Zweck zu finden, der in Legitimität verwurzelt ist und von einer kollektiven Vision angetrieben wird, liegt im Herzen von Make.orgs Methodik. Wir stehen fest zu der Überzeugung, dass Demokratie partizipativ sein muss, um widerstandsfähig zu sein. Wenn echte Gelegenheiten bestehen, dass Menschen teilnehmen und Entscheidungen mitgestalten können, werden individuelle Stimmen zu einem mächtigen kollektiven Willen.
Das bedeutet nicht, dass Konsens jedes Problem lösen kann. Aber er schafft Bedingungen für demokratische Gesellschaften, mit Ruhe, Inklusion und Zielstrebigkeit zu handeln. Die Methodik funktioniert, weil sie Bürger:innen als fähige Mitwirkende und nicht als passive Empfänger:innen von anderswo getroffenen Entscheidungen behandelt.
Unsere Einladung steht: Teilnehmen. Ideen teilen. Mithelfen, das zu gestalten, was als Nächstes kommt.
Literatur:
McGilchrist, I. (2021). The Matter with Things: Our Brains, Our Delusions, and the Unmaking of the World (Vol. 1). Perspectiva Press.